12.05.2014

Heimat

In letzter Zeit wurde mir öfter mal eine Frage gestellt, die ich schwer zu beantworten fand.

"Hast Du Heimweh, Finnmarie?"




Sollte ich sagen:


- Nein, ich bin doch Zuhause

oder

- Klar vermisse ich meine Familie, Freunde, das Land, eine Sauna am See, Mitternachtssonne, Schnee (ich meine ORDENTLICHEN Schnee, der liegen bleibt und in dem man sowohl Schneemänner bauen als auch Ski laufen kann, keinen bräunlichen Matsch der sich bis zum nächsten Morgen entweder aus dem Staub macht oder zur rutschigen Eisdecke verwandelt), guten Salmiak, Preiselbeeren, kaneliomenat, melancholische und von Pathos gefüllte Musik, leckeres, laktosefreies Eis, Viili... (ich höre jetzt besser auf, ich werde langsam hungrig und wehmütig)

Beides stimmt. Aber es war nicht immer so...

Ich habe in einer Blogaktion schon ein Paar Worte zum Thema Heimat verloren, aber da dieses Wort in meinem Leben oft eine Zentrale Rolle gespielt hat, wollte ich dem mal einen ganzen Post widmen.

Das erste Mal bin ich für eine längere Zeit aus dem vertrauten Nest gehüpft als ich mit 17 Jahren nach Kanada ging, um dort ein Jahr lang meine Flügel zu testen. In der Anfangsphase hatte ich fürchterlichen Heimweh, fühlte mich fremd, allein, anders, unpassend und verängstigt. (es war toll, echt! empfehle ich jeden, auch wenn das nicht wirklich so verlockend klingt) Ich habe gelernt, wie es ist, wenn man eben nicht in der Heimat ist.  Es dauerte eine ganze Weile, bis ich dort ankam. Allerdings, als es dann wieder nach Hause ging, überraschte mich ein fürchterlicher Kulturschock! Nun war ich in der Heimat. Aber ich hatte Heimweh. Fühlte mich fremd, allein, anders, unpassend. Die Heimat war nicht mehr nur vertraut und es fehlte etwas. Ich wusste plötzlich, dass ich ab dann immer ein wenig Heimweh haben würde, egal wo ich war. Doch war mir klar, wo meine Heimat war: meine Familie und Freunde, meine Sprache, meine Geschichte und mein Zukunft.

Mit 20 verliebte ich mich so richtig.
Und der Typ, mein guter alter Freund, naja, der kam aus Deutschland und nun fehlte in der Heimat für mich das allerwichtigste. Mir war bald bewusst, dass ich mein Geburtsland irgendwann verlassen müsste, wenn wir die Beziehung weiterführen wollten. Das Studium verbrachte ich zwischen den Ländern, ich war gefühlt immer auf dem Sprung. Entweder hierhin oder dorthin, die Koffer waren nie weit weg. In Finnland habe ich meine Zeit hauptsächlich fürs Lernen benutzt, um möglichst schnell fertig zu werden um endlich zusammen sein zu können und in Deutschland war ich auch nicht Zuhause, sondern zu Besuch. Fünf Jahre hin und her machten den Entschluss und den Abschied leicht.
...und, ganz ehrlich, ich vermisste den Kerl einfach zu sehr!

In den ersten Jahren nach meinem endgültigen Umzug war meine Heimat unsere Beziehung, mein Mann, unsere Liebe. Im Nachhinein scheint mir diese Vorstellung sowohl naiv als auch zahnschmerzmäßig süß, aber damals glaubte ich, das Zuhause auch Heimat sein könnte.

Wegen der Ausbildung und Arbeit meines Mannes sind wir einige Male umgezogen und beim zweiten mal sah ich schon keinen Grund, mich so richtig einzuleben. Es würde ja alles sowieso bald wieder vorbei sein. Ich suchte keinen Chor zum singen, ich suchte nicht aktiv nach einer Gemeinde, ich vertiefte keine Freundschaften. Kurz, ich habe keine Wurzeln geschlagen. Sicher, ich hatte meinen Mann, ich liebte ihn sehr und war glücklich bei ihm zu sein. Ich hatte Arbeit - ich übersetzte Texte aller Art von Zuhause aus. Ich sagte immer, dass es so toll war, das ich meine Arbeit überall machen konnte, so konnte ich ohne Verluste meinem Mann folgen und wir mussten nicht mehr getrennt sein. Aber so hatte ich auch keine Kollegen, keinen Anschluss vor Ort.

Ich hatte ein Zuhause, ein gutes Zuhause, aber keine Heimat.
Ich verlangte zu viel von einer Beziehung und belud einen zu schweren Last auf den Schultern meines Liebsten. Er ist mein Mann, mein Partner, mein bester Freund, aber er kann und soll nicht auch noch meine Heimat sein.

Vor einigen Jahren musste ich durch eine tiefe Krise lernen, dass ich eine echte Heimat wirklich brauche. Ich brauche Wurzeln, und die Wurzeln brauchen nahrhafte Erde, um stark zu werden.

Daraufhin habe ich angefangen, zarte, kleine Wurzeln zu schlagen. Ich habe es mir erlaubt, sesshaft zu werden, mich zu öffnen und mein Leben im Jetzt zu genießen, ohne zu fragen, wie lange es noch so sein wird. Ich habe viel Hilfe und Unterstützung erfahren, wofür ich sehr dankbar bin. Ich habe so viel bekommen:

ich habe die Heimat, aus der ich stamme, für mich wiedergefunden. Ich habe meine Vergangenheit, meine Traditionen, einen reichen Schatz aus dem ich schöpfen kann

ich habe mir hier eine Heimat aufbauen dürfen, Familie, Freunde die fast zur Familie geworden sind, eine Gemeinde die mich aufbaut und auffängt, Hobbies die mich erfrischen, Vertraute, ein Zuhause, ein Nest für uns

und, das Wichtigste, ich bin endlich auch in mir angekommen. Ich kenne und akzeptiere mich, ich bin in mir zu Hause.

Nein, ich habe keinen Heimweh mehr. Ich bin Zu hause.



5 Kommentare:

  1. Du inspirierst mich und berührst mich - Danke das Du diesen Blog schreibst!!

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    1. gerne ;) Freut mich, dass es Dir gefällt... bin ja ziemlich unsicher was mein Geschreibsel angeht und ob ich überhaupt was interessantes hinbekomme :P

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    2. Sagen wir so - Du hast mir Gedanken geschickt, die mir den Schlaf raubten, aber vielleicht waren sie auch wichtig gedacht zu werden... ;)

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    3. Das war natürlich nicht beabsichtigt. Ich hoffe, der Schlaf hat wieder zu Dir gefunden und die Gedanken finden auch ihren Platz und ihre Ordnung.

      Sei gedrückt.

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  2. Tähän täytyisi kommentoida pitkään ja hartaasti äidinkielellä!
    Mutta ♥ saa riittää! Tai ♥ ♥ ♥
    T. VehMAALAISEKSI muuntautunut siskosi

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